Rezirkulation mesophil zu thermophil

Alles was mit dem eigentlichen Prozess der anaeroben Umsetzung von organischer Substanz zu tun hat sowie allgemeine Themen rund um Biogas

Moderator: Schlattmann

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Jens
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Beitrag von Jens »

"....Deine Werte von thermophil haben wir hier nie erreicht
Das kann folgende Gründe haben
- unser altes System hatte eh ne längere Verweilzeit (glaub ich aber nicht)
- du hast nen überschaubareren Mix, vom Input her, und deshalb hast du, im Gegensatz zu uns , "Celluloseknacker" etabliert (kann ja sein)..."

Ich vermute bei Anlagen wie Eure, dass die Bakterien nicht auf Celluloseknacker angewiesen sind, sondern aus den anderen Inputstoffen ausreichend Energie ziehen können und nebenbei dann noch einen großteil der Cellulose mit verarbeiten können. Dann fällt das kalt werden nicht so auf.
Lt. unseren Wissenpuzzel gibt es keine Celluloseknacker unter den Bakterien, sondern es geht alles immer über Enzyme, die von den Bakterien hergestellt werden. Man muss also bei diesem Schwerpunkt immer schauen, wie es den Enzymen geht.

"...- die Kombination Enzyme und thermophil bringt richtig was (das wär ne schon Studie wert)..."

Das sagen alle die mit Enzymen arbeiten: Optimale Temperatur 45-55°C, je höher desto besser. Und wir hatten sonst im Sommer bei 48° schon gute Ergebnisse, aber letzten Sommer bei 48°C und Enzymen nochmal einen guten Schwung besser. So dünn war es im Nachgärer vorher noch nie. Ich denke daher, dass die These so stimmt.

"...Hatte vor 1 oder 2 Jahren nen Kontakt zu ner Forscherin die auch 60° C als Optimum ihrer Versuche dargestellt hat, der Bericht ist aber auf dem Uniserver...
Und so seriös erschien mir das nicht..."

Mir erscheinen die 60°C immer zu theoretisch. Im Labor kann man solche Thesen aufstellen, aber wir stehen hier im Winter mit unsern Fermentern draussen und reden dann über Temperaturspreizungen von 70-80°C zur Aussentemperatur...
Wenn wir die 48°C stabil schaffen würden wäre ich schn sehr froh.
theanswersalwaysyes
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Beitrag von theanswersalwaysyes »

@ papp
Welche "Werte" genau, hast du denn nicht erreicht? Abbaurate? Gasprodution? Temperatur? Ich steh grad bissel auf dem Schlauch.

@ Jens und bio-gas
Von was für einer Art Kocher redet ihr denn? So wie sich das bei bio-gas anhört, ist das ja nur ein außenliegender Rohrwärmetauscher. Ich rede von einem richtigen Behälter mit 2 Tagen Verweilzeit (50...100 m³ im Fall von Jens). Will ja meinen Nudeln auch nicht nur mit kochendem Wasser übergießen und fertig ;-) Wenn man zwei von den Dingern hätte könnte man auch schön im batch fahren um eine definierte Verweilzeit zu garantieren. Aber bleiben wir zum testen erstmal bei einem...

Ich würde auch auf jeden Fall unter 60 °C bleiben. Im Endeffekt gibt es ja nicht wirklich einen "Koch-Effekt", sondern man schafft optimale Bedingungen für Enzyme und Bakterien.

Zwecks "Zelluloseknackern". Sicherlich gibt es keine Bakterien mit Stahlmahlwerken, die Zellulose in ihren Backen zermalmen. Aber es gibt halt Bakterien, die zellulosespaltende Enzyme produzieren. Und die führen zu einem guten Abbau.
Jens
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Beitrag von Jens »

Das mit den zwei Tagen Verweilzeit ist natürlich schwierig. Mache ich das zwischen den Behältern, kommt das wohl hin, aber dann habe ich im Fermenter (2/3 des Gesamtvolumens) noch keinen besseren Abbau.
Möchte ich es vorher machen (juhu, eine Hydrolysestufe :D ) sind wir wieder bei dem Thema von Sommer 2015. Wenn wir 70t anmaischen wollen, müssen wir mind. 100m³ Rezirkulat fahren, am besten abgepresst, zusätzlich zum abgepressten in Richtung Gärproduktlager. D.h. wir spülen wieder sehr viel Maße durch unsere Behälter und verkürzen für Feststoffe dadurch die Verweilzeit.

Da erscheint es mir einfacher, die Fermenter einfach höher in der Temperatur zu halten und das Substrat immer da zu lassen wo es gerade ist und nur das nötigste weiterzupumpen.
Die Frage ist ja auch, ob die Enzyme das in zwei Tagen schaffen.

Der sogenannte Kocher ist ein Rohrwärmetauscher. Ich denke der Name war mehr Werbung, als dass es was mit Kochen zu tun hatte.
papp
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Beitrag von papp »

theanswersalwaysyes hat geschrieben:@ papp
Welche "Werte" genau, hast du denn nicht erreicht? Abbaurate? Gasprodution? Temperatur? Ich steh grad bissel auf dem Schlauch.
Wir fahren seit etwa 9 Jahren thermophil, so um 52°, in den Nachgärern und den Gasmehrertrag hätte ich so auf 10-20% geschätzt.
Seitdem wir das Perkolationsding haben geht die Brühe danach auch noch da durch.
Wegen Nutzung der vorhandenen Wärme.
Weil in den Rührkesseln jetzt nur noch leicht zu verarbeitendes Zeug mit höherer Energiedichte gefüttert wird (kein Mist und langes Zeug mehr ausser Hühnerkacke) ist der Mehrertrag durch thermophil weg.
Wenn ich an die billige chinesische Zellulase rankommen sollte werden wir das aber testen.
https://www.alibaba.com/showroom/cellul ... trial.html
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Jens
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Beitrag von Jens »

Aber wenn dein Mist nicht mehr durch den thermophilen Bereich geht und seit dem der Mehrertrag dort weg ist, dann heisst dass doch dass die energiereichen Substrate sich gut auch bei 38 Grad vergären lassen, der Mistanteil aber zu Mehrerträgen geführt hat, d.h. die Cellulose wurde im Nachgang durch die höheren Temperaturen zusätzlich aufgespalten.

Oder habe ich jetzt was falsch verstanden: Dein thermophiler Nachgärer wird danach in den Sauter mit Mist gepumpt, damit das Material da mitheizt. Nach dem Sauter geht es ins Endlager, richtig ?
Wade
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Beitrag von Wade »

Das mit den chinesischen Enzymen ist wirklich Interessant. Bei den deutschen Pulverhändlern sind ja immer alle möglichen Cellulasen enthalten. Was ist bei den Chinesen drin? Taugen die für die Textilindustrie oder fürs Brauen überhaupt was in einer Biogasanlage?
Ich kenn mich da gar nicht aus welche Typen es da gibt, wie temperaturstabil die sind und welche man zum Abbau von Hemi- & Zellulose braucht...

Kann man die vielleicht sogar mit halbwegs einfachen Mitteln selbst herstellen? Das Endprodukt muss ja nicht rein sein, es muss nur viele Enzyme enthalten.


Grad bissl rumgegoogelt, dabei den angehängten Link gefunden. Anscheinend sind spezielle Pilz-Cellulasen schneller als Multi-Enzym-Komplexe aus den Bakterien. Und Lignin kann die Tätigkeit der Enzyme verringern.
http://www.pflanzenforschung.de/de/jour ... chnel-2136
papp
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Beitrag von papp »

Jens hat geschrieben:Aber wenn dein Mist nicht mehr durch den thermophilen Bereich geht und seit dem der Mehrertrag dort weg ist, dann heisst dass doch dass die energiereichen Substrate sich gut auch bei 38 Grad vergären lassen, der Mistanteil aber zu Mehrerträgen geführt hat, d.h. die Cellulose wurde im Nachgang durch die höheren Temperaturen zusätzlich aufgespalten.

Oder habe ich jetzt was falsch verstanden: Dein thermophiler Nachgärer wird danach in den Sauter mit Mist gepumpt, damit das Material da mitheizt. Nach dem Sauter geht es ins Endlager, richtig ?
So isses nur dass der "Sauter" auch noch nen Nachgärer hat.
Der Gasertrag von Mist und (weil jetzt grad viel Wärmebedarf) Getreide ist mesophil aber eher höher als das Prozedere vorher, halt durch die Schichtung.
Aber das jetzt grosse Volumen war natürlich nicht umsonst ....
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Beitrag von Jens »

papp hat geschrieben: So isses nur dass der "Sauter" auch noch nen Nachgärer hat.
Der Gasertrag von Mist und (weil jetzt grad viel Wärmebedarf) Getreide ist mesophil aber eher höher als das Prozedere vorher, halt durch die Schichtung.
Aber das jetzt grosse Volumen war natürlich nicht umsonst ....
Aber das passt doch alles zusammen:
Mit ausreichend schnell verdaulicher Energie versorgte Bakterien können ausreichend Enzyme produzieren, um Mist mit zu vergären. Hab ich ja auch nie bestritten.
Bei ausschliesslich Cellulosematerial bekommt die Umsetzung von Cellulose zu Zucker eine viel höhere Bedeutung und wird nicht mehr durch anderen Energie beim Abbau unterstützt. Also müssen die es "alleine" schaffen, und dabei kann denen wohl helfen, in dem man optimale Temperaturen schafft. Und da scheint es wohl sehr dynamische Entwicklung des Prozesses zu geben bei steigenden Temperaturen.
Jens
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Beitrag von Jens »

Wade hat geschrieben:Das mit den chinesischen Enzymen ist wirklich Interessant. Bei den deutschen Pulverhändlern sind ja immer alle möglichen Cellulasen enthalten. Was ist bei den Chinesen drin? Taugen die für die Textilindustrie oder fürs Brauen überhaupt was in einer Biogasanlage?
Ich kenn mich da gar nicht aus welche Typen es da gibt, wie temperaturstabil die sind und welche man zum Abbau von Hemi- & Zellulose braucht...
Die Cellulasen und Xylanasen, die seit einigen Jahren auf dem Markt sind, sind Enzyme aus Pilzproduktion und werden wohl auch so auf Farmen produziert. und mühsam aus Nährlösungen rausfiltriert. Deswegen sind die wohl auch noch etwas teuerer.

Ich habe einen Bekannten, der arbeitet als Verfahrenstechniker in einer Papierfabrik. Der hat sich das Thema auch mal angeschaut und auch seine Enzymcontainer in der Fabrik.
Die wollen auch Cellulose zu Zucker abbauen und haben dafür Amylasen und einfache Cellulosen die es wohl auch auf dem Massenmarkt gibt und nach Rücksprache mit seinem Lieferanten ist dass nichts für uns, da wir im Pflanzenbau von hochkomplexen Cellulosen und Hemicellulosen reden und da scheitern die einfachen Dinger.

Da wird es bestimmt in wenigen Jahren mal einen preislichen Durchbruch geben, aber ich glaube aktuell sind wir noch auf das teure Expertenwissen angewiesen... :(
Jens
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Beitrag von Jens »

So, mal ein kleines Update zum Thema Temperaturen und Cellulose.

Also: Wir haben weiterhin stumpf soviel Mist mit 1/3 Grassilage gefüttert wie es möglich war auf 2 x 1.000m³ Fermenter. Im Winter bei 38°C Fermentertemperatur.

Ohne rezirkulieren von Fugat lief da gar nichts, die Gaserträge gingen von November (46°C) über Januar (38°C) bis März (38°C) gefühlt linear weiter runter, so dass ich auch noch eine Komponente von "Enzymbildende Bakterien vermehren sich bei kalten Temperaturen auch langsamer" mit einbeziehen möchte.

Aktuell sind wir wieder bei 41°C. Rezirkulieren brauchen wir fast gar nicht mehr, Gaserträge steigen wieder. Allerdings laufen die Rührwerke noch sehr schwer.

Wir heizen jetzt weiter hoch und ich erwarte ab 45°C dass wir die Fütterungsmenge weiter steigern können und gleichzeitig die Rührwerke wesentlich weniger Ampere aufnehmen (letztes Jahr von 38A runter auf unter 30A).

Alle anderen Dinge sind gleich geblieben. Wenn wir im Juni wieder da sind, wo wir letztes Jahr waren, dann meine ich ist das ein Beleg dafür, dass Cellulose bei 48°C sich wesentlich besser abbaut, unabhängig von der Behältergröße.

Ich schreibe mitte Juni mal wieder was dazu.
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