Rezirkulation mesophil zu thermophil

Alles was mit dem eigentlichen Prozess der anaeroben Umsetzung von organischer Substanz zu tun hat sowie allgemeine Themen rund um Biogas

Moderator: Schlattmann

Antworten
Jens
Identität bekannt
Identität bekannt
Beiträge: 1401
Registriert: 25.12.2007, 19:18
Wohnort: Ihausen

Beitrag von Jens »

Wade hat geschrieben: Zu deinem Gärversuch:
Hydrolysebakterien haben Reproduktionsdauer von Stunden bis Tage, dagegen haben Methanbakterien/Archaen doch eine wesentlich längere Reproduktionsdauer die eher im Bereich von mehreren Tagen bis Wochen liegt. Denke da sind 20Tage für einen Versuch schon arg knapp.
Ok, muss man mal durchdenken, länger laufen lassen wäre ja nicht schlimm.
Ich tippe aber auf einen anderen Effekt: Die Bakterien sind ja drin und arbeiten einfach weiter, entsprechend muss auch zu beginn die "frische Ware" begrenzt werden.
Ich vermute, dass die höhere Temperatur die Enzymaktivität steigert und gleichzeitig den Ligno-Hemicellulose-Komplex aufweicht und angreifbarer macht. Daraus resultiert mehr Zucker für die Bakterien und mehr Wasser für die Viskosität. Wenn das stimmt werden bei 38°C die Bakterien etwas Gas machen und der Brei bleibt dick und bei 48°C haben die ordentlich zu tun...

Aber gerne mehr Vermutungen, umso besser könnte man den Versuch anpassen.
ww
Identität bekannt
Identität bekannt
Beiträge: 674
Registriert: 19.09.2010, 15:34

Beitrag von ww »

Hallo Jens,

da wir seit Jahren auch Probleme hatten im Winter die Temp. über 40 °C zu halten, haben wir im Sommer den Fermenter nach 10 Jahren mal gesäubert (die Heizkreise waren teilweise zu 2/3 mit einem Sandkegel zugedeckt und auch sonst verkrustet, vor allem gegenüber des Paddelrührwerks. Wir haben einen zweiten Paddel eingebaut (auch als Sicherheitsdenken) und nochmal 4 Doppelreihen Heizrohre eingebaut (PE-Bodenheizungs-Rohr ca 3 cm vor der Wand).
Stromverbrauch blieb gleich, vorher hatten wir 25 Min Pause, 10 Min Rühren, jetzt laufen die zwei Paddel parallel mit je 5 Min was vom Augenschein den gleichen Effekt hat. Was bei uns aber passiert ist, das die Drehrichtung des FM-Inhalts sich gedreht hat, bisher ohne feststellbare Nachteile. Obwohl ich mir schon gedanken mache, da der 1. Paddel nun nicht wie vorher das Futter vom Vielfrass reinzieht wie vorher, sondern nun quasi wegdrückt über eine längere Strecke zum 2. Paddel. Oder scheint das nur so und die Strömung ist weiter unten wo das Futter reinfällt andersrum ?
Heuer gabs auch bei - 20 °C keinen Temperaturabfall auch als die VL-Temperatur zum Fermenter durch die hohe Abnahme des Wärmenetzes auf 60 °C gefallen ist.

Gruß aus Mittelfranken
Jens
Identität bekannt
Identität bekannt
Beiträge: 1401
Registriert: 25.12.2007, 19:18
Wohnort: Ihausen

Beitrag von Jens »

Ich denke dass ist der Effekt, wenn man genug Wärme hat (egal ob vom BHKW oder Hackschnitzel): Der Inhalt bleibt flüssiger, der Wärmeübergang bleibt besser und wenn man immer konstant Wärme zuführt bleibt es eben so. Und dann ist es auch händelbar.
Wir haben hier den Fehler gemacht, dass wir es im Winter akzeptiert haben, dass wir weniger Heizenergie haben und dadurch die Temperatur gefallen ist. Es heisst ja auch überall, bei 38 Grad läuft das auch... Aber dann geht ein Teufelskreis los: Es wird dicker, der Wärmeübergang nimmt ab, die Eigenerwärmung lässt nach, der Prozess wird noch langsamer.....

Wir haben jeweils 1.000m³ Fermenter mit einem Paddel. Die Rohre sind sauber (6 Kreise 2"), bis auf die untersten zwei gegenüber vom Paddel, da liegt ein Sandberg als Sichel an der Wand. Ich gehe daher mal davon aus, das wir auch genug Bewegung im Fermenter haben. Wir messen die Temperatur ca. 1m über der Heizung. Wenn wir unzureichend Bewegung hätten, dann hätten wir schwankendere Werte. Die gefühlten Temperaturen am Saugrohr sind auch konstant (vielleicht sollte man da noch mal einen Fühler einbauen...)
Aber für mehr Rohre und damit mehr Heizfläche bin ich auch. Wir haben bei einem Behälter 12 Kreise Kuntstoffrohre weiter oben nachgerüstet. Die haben eine gute zusätzliche Wärmeabnahme. Werden wir bei den nächsten auch machen.
Nützt nur nichts, wenn zu wenig Wärme da ist...
henrie
Beiträge: 11
Registriert: 18.06.2010, 17:06
Wohnort: Hesselberg

Beitrag von henrie »

Profis messen die Temperatur in der Mittelstütze (falls vorhanden). das ist dann einiges weg von den Heizrohren!!
weiter so ..........
theanswersalwaysyes
Identität bekannt
Identität bekannt
Beiträge: 65
Registriert: 15.06.2012, 12:35

Beitrag von theanswersalwaysyes »

Mich würde auch mal etwas interessieren in dem Zusammenhang. Wie lange, muss das Substrat denn kochen? Reicht es evtl. schon einen kleinen Behälter mit ca. 2 Tagen Verweilzeit auf 50°C zu heizen und dann in einen normalen, mesophilen Fermenter. Das wäre so eine Art thermo-Hydrolyse. Und dann noch Enzyme dazu (in dem kleinen Volumen, sollten die ja recht hoch konzentriert sein). Vielleicht senkt das ja schon die Viskosität und weicht die Zellulosestrukturen auf. Das wäre sicherlich energetisch um einiges weniger aufwendig, als einen ganzen Fermenter zu heizen. Hab die Idee schon mal beschrieben. Aber weiß halt nicht, ob das was bringt. Hab aber mal ne Anlage gesehen, die wohl recht gut damit fährt. Kann aber nicht sagen, ob das nur "Außendarstellung" ist.


@ Jens:
Sehr interessant mit deinem Versuch, würde mich auch stark interessieren, was da rauskommt.
Generell sehr ich die kurze Zeit von 20 Tagen auch kritisch. Da hat sich die Biologie noch nicht zwangsläufig eingestellt (vor allem die Anpassung an Stickstoff bei höheren Temperaturen dauert sicherlich länger). Und du hast viele unterschiedliche Effekte, die schwer zu isolieren sind. Zum Beispiel bleibt ja bei den niedrigeren Temperaturen mehr Material übrig (die TS steigt). Diese kommt dann immer zur aktuellen Fütterung hinzu und man muss vorsichtig sein diese nicht zu vergessen. Sonst kommen rechnerisch auf einmal astronomische Abbauraten raus, wenn der Zelluloseabbau in Schwung kommt. In Gärversuchen nimmt man daher ja zu Beginn immer ausgefaulten Klärschlamm.
Da du zweigleisig fahren kannst, wäre ein direkter Vergleich vielleicht auch interessant. Eine Schiene 38°, die andere 45°. Zumindest, wenn das geht.

Du hast doch eine Hydrolyse meintest du. Kannst du die auf 50 °C heizen?
Wie sieht bei euch eigentlich der Stickstoff aus, bei so viel Mist und Gras? Ich hätte da schon Bedenken bei 48°C. Aber schön zu hören, dass es bei euch ja scheinbar keine Probleme gibt. Was nehmt ihr zum Anmischen? Du meintest doch, ihr nehmt kein Rezirkulat.
Jens
Identität bekannt
Identität bekannt
Beiträge: 1401
Registriert: 25.12.2007, 19:18
Wohnort: Ihausen

Beitrag von Jens »

Ob kurzzeitig eine Erwärmung über 50°C ausreicht weiss ich nicht. Es gibt dazu ja einen Kocher am Markt, der ist aber auf hohe Temperaturen(75°C) ausgelegt, so dass die Enzyme zerstört werden. Funktioniert wohl, aber auch dort sucht man nach Enzymen als Ergänzung.
Meine Meinung ist, Enzyme brauche Zeit, daher würde ich die Fermentervariante vorziehen.
Sollten wir aber im Winter trotz Wärmeüberschuss die Temperaturen nicht halten können, wäre bei uns ein solcher Kocher, vielleicht auch abgemildert auf 60°C der nächste Schritt, denn wir können mit der Zerkleierung auch im Kreis je Fermenter fahren.

Das mit der Hydrolyse haben wir wieder aufgegeben.Theoretisch toll,praktisch funktioniert es einfach nicht mit hohen Mistanteilen. Der niedrigste pH-Wert den wir gemessen haben war 7,51 und die höchsten Säuren die wir in der Hydrolyse hatten, war ein Äquivalent von 1,4. Und das Gas daraus war top. Der Fehler bei der Mist-hydrolyse ist, das man das Funktionieren einer Hydrolyse an der oTS/m³/Tag festmacht. Das ist falsch. Man muss es an den schnell verfügbaren oTS/m³/Tag festmachen, und die sind beim Mist wesentlich geringer. Dazu kommt die hohe Prozessstabilität bei Mist und schon hat man einen hoch belasteteten, aber funktionierenden Fermenter, aber keine Hydrolyse.

Rezirkulieren machen wir bei Bedarf mit der flüssigen Phase. Im Sommer ist dazu kein Bedarf. 25tMist+x /1000m³ Fermenter funktioniert bei 48°C.
Ammonium haben wir im Nachgärer ca. 4kg/m³, wir haben da noch keine wesentliche Hemmung feststellen können.
bio-gas
Beiträge: 456
Registriert: 04.02.2009, 08:26

Beitrag von bio-gas »

wir setzten auch fast nur gras und mist ein und die Erfahrung gemacht das es mit hohen temp alles besser lief >50-53 grad, allerdings fing dann die Stickstoffhemmung an...
sind jetzt bei 46-49 grad, da läufts. haben allerdings über 5000mg/L NH4

jetzt fallen wir mit der Temp auch auf 44-45 grad, allerdings retten uns die milden winter, sobald es wieder ein paar grad wärmer ist kommt wieder ein gasschub im frühjahr.

wir haben den kocher installiert, allerdings seit einem halben jahr außer betrieb, da der Pumpenverschleiß beim durchpumpen durch das teil ziemlich krass ist (braucht ca 4bar)
Müssen allerdings auch 20ts durchpumpen...

haben jetzt nicht den grossen unterschied festgestellt...
werden ihn wohl zu einer zusätzlichen F Heizung umbauen...
michael
Identität bekannt
Identität bekannt
Beiträge: 1433
Registriert: 25.01.2005, 14:43
Wohnort: Mittelfranken

Beitrag von michael »

Ein Punkt, der beachtet werden muss ist der KWK-Bonus. Es ist meines Wissens nicht erlaubt den Fermenter extern zu beheizen, wenn die BHKW-Wärme dann mit KWK-Bonus verkauft wird. Die Hackschnitzelheizung müsste also ins Wärmenetz, und das ist ja nix besonderes...
Jens
Identität bekannt
Identität bekannt
Beiträge: 1401
Registriert: 25.12.2007, 19:18
Wohnort: Ihausen

Beitrag von Jens »

Das wäre mir neu. Aber bestimmt nicht bei dem 2004-KWK. Selbst wenns so wäre, dann wäre das so in den drei Monaten. Es geht mir ja nicht um eine KWK-Optimierung, sondern um die Frage, dass dieser zusätzliche Wärmeeinsatz (oder verzicht auf eine Wärmenutzung in anderen Fällen) notwendig ist.
Was ich mal gehört habe, ist dass eine dauerhafte Fermenterheizung aus regenerativen Quellen stammen muss. Also nicht alles mit Öl heizen und dann KWK bekommen, sondern wenn dann halt mit Hackschnitzeln oder sowas.

Wenn ich mal die vorherigen Aussagen zusammenfasse zeigt sich wohl der Temperaturbereich 47-49° als Praxiswert heraus, oder ?
papp
Identität bekannt
Identität bekannt
Beiträge: 3843
Registriert: 29.12.2005, 22:36
Wohnort: Ausland

Beitrag von papp »

Also nochmal Jens
Deine Werte von thermophil haben wir hier nie erreicht
Das kann folgende Gründe haben
- unser altes System hatte eh ne längere Verweilzeit (glaub ich aber nicht)
- du hast nen überschaubareren Mix, vom Input her, und deshalb hast du, im Gegensatz zu uns , "Celluloseknacker" etabliert (kann ja sein)
- die Kombination Enzyme und thermophil bringt richtig was (das wär ne schon Studie wert)
Hatte vor 1 oder 2 Jahren nen Kontakt zu ner Forscherin die auch 60° C als Optimum ihrer Versuche dargestellt hat, der Bericht ist aber auf dem Uniserver...
Und so seriös erschien mir das nicht
"Les promesses n'engagent que ceux qui y croient"
Antworten