Arbeitszeit 75 kW Anlage

Erträge, Kosten, Gesamtverfahren, Teilverfahren, Komponenten, Investitionen, Betriebskosten, Faktoransprüche, Förderungen, Faustzahlen...

Moderator: Stulle

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Hugofatal
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Arbeitszeit 75 kW Anlage

Beitrag von Hugofatal »

Ich komme als Berater auf viele Milchviehbetriebe (>130 Kühe plus Nachzucht evtl. noch Bullenmast). Hier stellt sich bei vielen Betriebsleitern, bei der derzeitigen "rosigen" Lage des Milchpreises, die Frage, ob sie in eine solche Anlage investieren sollen. Immer wieder kommt die Frage nach der Arbeitszeit, an der meiner Meinung viele Betriebe jetzt schon an Ihre Grenzen angelangt sind.
Komnt eine solche Anlage (80% Gülle und 20% Grassilage, Silomais und Futterreste) wie sie oft in Kalkulationen angegeben wird mit 400 Stunden hin? Sind diese Werte realistisch? Betreibt vielleicht jmd. von auch eine solcher Anlage auf antworten freue ich mich! Gruß hugofatal :arrow:
lerche
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Beitrag von lerche »

Wenn Silage mit im Spiel ist halt ich das für unrealistisch. Es gibt ja 2 Arten von 75 kW Anlagen: 80/20 Anlagen mit Silageeinsatz, und 100% Gülle/Mist Anlagen. Bei den dargestellten Betriebsgrößen halte ich die 100% Variante mit dann vllt nicht ganz 75 kW im Jahresschnitt sinnvoller, weil dann die "150 Tage im Gasdichten System" wegfallen, und die Anlage erheblich kleiner sein kann. Wenn sonst nix reinkommt als nur Gülle und Mist, geht das denk ich schon mit 400h.
Wade
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Beitrag von Wade »

Das mit den 150 Tagen muss man halt durchrechnen bei welcher Variante im Endeffekt mehr raus kommt.
Für die Arbeitszeit spielt es keine so große Rolle ob man nur Mist reinschaufelt oder auch nen paar Schaufeln Silo (je nach Entfernung vom Silo). Sobald man Feststoffeintrag hat isses wurscht was man da rumfährt.

Denke mit viel Gülle sind die 400h pro Jahr schon möglich. Oftmals braucht man ja nur 15min zum Füttern und nochmal 15 Minuten zur täglichen Kontrolle. Wenn halt mal ne Störung Auftritt braucht man auch mal nen paar Stunden.

Mit viel Gülle sind die Anlagen schon recht rentabel, wenn vorhandene Endlager genutzt weden können schon gleich 2x. Wenn dann noch Mist vom Nachbar(dorf) gekauft werden kann anstatt Maissilo verbessert sich die Wirtschaftlchkeit auch.

Man muss nur bedenken ob man die nächsten 20 Jahre noch die Kühe hat oder behalten will. Wenn man so ne BGA baut bindet man sich ja nochmal 20 Jahre an den Betriebszweig (oder einen vergleichbaren). Wer nen neuen Stall gebaut hat, hat die Entscheidung einfacher, wer aber eh schon in nem Altbau rumwerkelt und vielleicht mit den Kühen in den nächsten Jahren aufhören könnte, braucht jetzt auch keine BGA mehr bauen...
Jens
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Beitrag von Jens »

"Wenn halt mal ne Störung Auftritt braucht man auch mal nen paar Stunden."


Ich glaube dass ist das Problem bei vielen Milchviehhaltern. Selbst mit Fremdarbeitskräften muss man seinen Kopf überall haben: Beim Melken, Abkalbungen, Fütterung, Papierkram usw. usw.
Und bei einer Biogasanlage, auch wenn sie nur 75kw hat, geht das ganze nochmal von vorne los: Fragen um das BHKW, funktioniert die Pumpentechnik, was macht die Heizungsverteilung, Wieso sind die Gaserträge jetzt so, §29a Abnahme, Betriebstagebuch, sonstige Dokumentation, Lehrgänge...
Und nun erzähl hier keiner, dass so eine kleine dann bestimmt reibungslos läuft, denn dann bräuchte es so ein Forum wie hier bzgl. technische Fragen nicht.

Ich glaube so macher Milchviehhalter könnte dann besser seine Sparte Milchvieh besser machen und dort das Geld investieren. Oder Bullenmast dazu nehmen, aber was ganz neues Anfangen halte ich in vielen Fällen für mutig.
gadget
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Beitrag von gadget »

Die Frage ob eine so kleine Anlage sinnvoll ist hängt auch von der Arbeitszeitkalkulation ab.
Damit meine ich; wenn ich aus dieser Anlage zusätzliches Einkommen erziele sollte ich mich fragen, ob ich das Mehr an Arbeitszeit für die Biogasanlage nicht auf einer anderen Seite wieder einsparen sparen kann, indem ich mich einfach von den einen oder anderen arbeitszeitintensiveren und/oder unrentablen Posten trenne.
z.B.: Kartoffel ist eh ein sehr unsicheres Geschäft und macht zigmal mehr Arbeit als Mais.
Auch wenn das ganze Drumherum für eine kleine BGA anteilsmäßig mehr Arbeit macht (Proben und Analysen kosten für 75kW eben dasselbe wie für 700kW), kann es durchaus wirtschaftlich sinnvoll sein. Und am Ende ein Weniger an Gesamtarbeit sein.

Grob gerechnet: 20Cent x 75 (kW) x 24 (h) / 100 = 360€ pro Tag
Natürlich kommen da auch noch Kosten für Investitionen, Futter und Unterhalt dazu.
Aber das habe ich auch bei Kartoffeln; Lager, Kartoffelvollernter usw…. mit unsicherem Ausgang am Ende (Preis, Ernteausfälle…. ).


Plus kostenloser Wärme für Haus und Hof. Eventuell auch noch Wärmeverkauf an die Nachbarschaft.. So kann ich mir das Brennholzmachen und Einheizen sparen.
Wenn jemand arbeitszeitmäßig schon im roten Bereich ist würde ich nur dazu raten, wenn er dafür auf einer anderen Seite etwas kürzer treten kann.
Oder wenn er es sich mit diesem zusätzlichen Einkommen leisten kann jemanden zu beschäftigen.

Es ist auf alle Fälle leichter jemanden für eine Stunde am Tag für die BGA zu finden, als morgens und abends für den Kuhstall.
Und wer Tiere hat ist schon von Haus aus in 24 Stunden Dauerbereitschaft.
Jens
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Beitrag von Jens »

"Und wer Tiere hat ist schon von Haus aus in 24 Stunden Dauerbereitschaft."

Eben !!!! Um 23 Uhr die Kuhkalbung und um 3 Uhr das BHKW und um 6 Uhr wieder melken.

Super Idee !!!

Zu meiner Lehrzeit hat man immer gesagt, es geht immer nur ein Betriebszweig mit Geburten: Kühe und Bullen, Kühe und Mastschweine, Sauen und Bullen, aber nicht Kühe und Sauen.
Und Biogas zählt für mich zu dem Bereich "Geburten".
chefmax
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Beitrag von chefmax »

Wenn es wirtschaftlich ist dann lässt sich davon auch eine FremdAK bezahlen. Wir haben Biogas und Kühe. Ergo muss sowieso immer jemand am Hof sein, deshalb passt das mMn schon gut zusammen. Muss ja nicht immer die gleiche Person sei. @Jens

Bei einer reinen Gülleanlage dürften die 400 Std schon hinkommen
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TT-Hase
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Beitrag von TT-Hase »

Ja ohne Silagebergung und Gülleausbringung ist das auch für ne 80:20 reel.

Sorgen machen mir nur die steigende Dokumentation etc. sicherheitsschulungen, Mitarbeiteranweisungen, BGvA3, Wasserecht, ex Schutz, BS Prüfungen, Gutachten etc etc.

Das wird immer mehr Arbeit und Aufwand da kein Ende in Sicht. Und das sind eben hohe prozentuale Kosten.
ulli1234
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Beitrag von ulli1234 »

Unsere 75KW Anlage ist jetzt seid Dezember am Netz, 50% Mist, 50% Gülle, alles vom eigenen Viehbestand (Bullenmast)

Die ersten Wochen haben richtig Zeit gekostet, grade die Fütterung von reinem Mist ist nicht ganz trivial, hier ne Brücke, da Störstoffe, mal nen Scherbolzen oder der Stopfen an der Rachenpumpe geht mal durch...
Nach ca. 3 Wochen weiss man dann was geht und was man besser nicht machen sollte. Dank ausreichend dimensioniertem Fermenter und Gaslager brauch ich nicht Nachts um 3 raus wenn die Fütterung mal streikt, dann gibts um 7 die doppelte Ladung und gut ist. Wir haben jetzt seid gut 3 Wochen volle Leistung, an einem "normalen" Tag ist im Moment alles in 20 Min erledigt. Viele Arbeiten lassen sich gut planen, Ich mache z.B. immer am gleichen Wochentag meinen "großen Rundgang" (Störstoffe aus dem Macerator holen, Kondesat vom Kompressor ablassen, Kondensatschacht überprüfen etc). Das kann dann schonmal 2 Stunden dauern.

Dafür haben wir früher einen halben Tag pro Woche zum ausmisten gebraucht, jetzt gut eine Stunde...


Wenn alles passend gebaut ist und man sich vorher Gedanken zu den Abläufen macht, sind 400h durchaus realistisch denke ich. Wenn man allerdings Mist aus "aller Herren Länder" zusammenkarren will, sicherlich nicht.
Mit 20% Nawaro sehe ich die Wirtschaftlichkeit nicht (Substratkosten, Endlager Gasdicht mit allen Konsequenzen...)
gadget
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Beitrag von gadget »

Jens hat geschrieben:"Und wer Tiere hat ist schon von Haus aus in 24 Stunden Dauerbereitschaft."

Eben !!!! Um 23 Uhr die Kuhkalbung und um 3 Uhr das BHKW und um 6 Uhr wieder melken.

Super Idee !!!

Zu meiner Lehrzeit hat man immer gesagt, es geht immer nur ein Betriebszweig mit Geburten: Kühe und Bullen, Kühe und Mastschweine, Sauen und Bullen, aber nicht Kühe und Sauen.
Und Biogas zählt für mich zu dem Bereich "Geburten".
Ich wollt nicht sagen, dass Biogas stressfrei ist, aber die emotionalen Belastungen bei der Tierhaltung sind doch deutlich höher. Ich will mich nicht zu weit aus den Fenster lehnen, aber wenn eine Kuh kalbt und Schmerzen hat wenn bei der Geburt etwas schief läuft ist das doch eine härtere Nummer, als wenn das blöde BHKW mal bockt.
Als ich vor Jahren in die Biogassache reingeschlittert bin habe ich die ersten Anlagen mit dem Handy am Ohr betreut.
Bei einer gebärenden Kuh würde ich mir das nicht trauen.
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